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Computerspiele sind längst kein Randphä-
nomen mehr, sondern fester Bestandteil des
Alltags vieler Menschen. Öffentlich debattiert
werden vor allem ihr mögliches sucht- und ge-
waltförderndes Potenzial und ihr ökonomischer
Stellenwert.
Die im digitalen Spiel stattfindenden Informa-
tions- und Kommunikationsprozesse gehen
über reine „Mensch-Maschine-Interaktionen“
hinaus. Spiele sind nicht nur Unterhaltungsme-
dien, sondern auch soziale Kommunikations-
medien. Aufgrund ihrer Interaktivität und ihrer
ungeheuren Sogwirkung nehmen Computer-
spiele in der Lebenswelt ihrer Spieler oft einen
großen Stellenwert ein. Viele Spieler finden in
der digitalen Welt eine soziale Gemeinschaft,
mit der sie sich identifizieren können. Die Re-
geln und Rituale dieser Gemeinschaft können
auch ihr kommunikatives Handeln prägen. Das
gilt zum Beispiel für ihr Zeitgefühl, die Steu-
erung ihrer Aufmerksamkeit oder das Emp-
finden von Emotionen. Es ist daher plausibel
anzunehmen, dass sich die Formen von Amüse-
ments sowie soziale Prozesse, wie z.B. die Bil-
dung von (Spiel-)Gemeinschaften, durch deren
Digitalisierung langfristig ändern können.
Schlüsselereignisse wie die Amokläufe an der
Columbine High School in Littleton (USA)
1999, am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 2002
oder an einer Realschule in Emsdetten 2006
rücken die Frage nach der Wirkung von gewalt-
haltigen Computerspielen immer wieder in den
medialen Fokus – und damit auch auf die poli-
tische Agenda. Schließlich waren die jugendli-
chen Täter angeblich begeisterte Spieler von so
genannten First-Person-Shootern wie Doom,
Quake oder Counter-Strike, deren Nutzung die
Gewaltakte regelrecht entfacht habe.
Gewalthaltigen Computerspielen werden also
mitunter sehr negative Effekte zugerechnet.
Die Kommunikationswissenschaft hingegen
untersucht Computerspiele als komplexen – und
damit auch ambivalent zu bewertenden – Inter-
aktionsprozess zwischen den Spielinhalten und
dem Alltagsleben der Spieler. Die Effekte von
Gewaltdarstellungen in Computerspielen kön-
nen vor diesem Hintergrund nicht auf einfache
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge reduziert
werden. Vielmehr müssen Forscher die Effekte
auf verschiedenen analytischen Dimensionen
untersuchen. Dazu greifen sie häufig auf das so
genannte „Transfermodell“ von Jürgen Fritz
zurück. Es thematisiert die Austauschprozesse
zwischen medialer und realer Welt und distan-
ziert sich von generellen Aussagen über die Wir-
kung von Computerspielen, da es sowohl die in-
dividuelle Sozialisation und aktuelle Lebenslage
der Spieler als auch das spezifische Anregungs-
potenzial des Computerspiels berücksichtigt.
Ob und inwiefern die virtuellen und realen
Handlungen eines Spielers sich gegenseitig
stimulieren, hängt demnach von einer Reihe
von Faktoren ab: Im Sinne einer „Strukturellen
Kopplung“ gleicht der Nutzer die Angebote
Wie wirken Computerspiele?
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