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Das Internet verändert unsere Sprache in ver-
schiedener Hinsicht. Am augenfälligsten ist
wohl, dass zahlreiche neue Begriffe in unseren
Sprachschatz eingegangen sind, oft als Lehn-
worte aus dem Englischen. Wir googeln nach
Informationen und chatten mit unseren Freun-
den, wir downloaden Musik oder skypen mit
unseren Großeltern. Viele dieser Worte sind
inzwischen sogar im Duden verzeichnet:
E-Learning und Open-Source-Software, Phishing
und Twittern, das (oder auch der) Blog.
Daneben bilden sich im Internet aber auch
neue sprachliche Konventionen. Sie lassen sich
erstens darauf zurückführen, dass Menschen
kreativ mit den Besonderheiten der compu-
tervermittelten Kommunikation umgehen. So
werden in der textbasierten Kommunikation
über E-Mail, Chat, Foren oder Blogs nonverbale
Merkmale wie Mimik oder Gestik nicht über-
tragen. Diese vermitteln aber in der Kommu-
nikation von Angesicht zu Angesicht wichtige
Hinweise auf die Absichten oder Stimmungen
der Gesprächspartner. Um dies auszugleichen,
haben sich Akronyme wie „LOL“ für „laughing
out loud“, spezifischer Jargon wie „w00t“ als
Ausdruck der Freude und Begeisterung oder
Emoticons wie der Smiley :-) etabliert.
Zum zweiten dienen sprachliche Neuschöpfun-
gen dazu, die Zugehörigkeit zu einer bestimm-
ten Gruppe oder Szene auszudrücken. Wer
die jeweils eigenen sprachlichen Codes, Slangs
und Kürzel, also das spezifische Vokabular be-
herrscht, zeigt damit auch: Ich gehöre dazu, ich
bin einer von uns – zum Beispiel in den Chats
und Diskussionsforen von Computerspielern.
Dies ist gerade für Jugendliche bedeutsam,
die sich in einer Lebensphase der Abgrenzung
von den Erwachsenen befinden, was sich unter
anderem in einer eigenen Sprachverwendung
ausdrücken kann.
Zum dritten passt sich Sprache an die Gegeben-
heiten oder Restriktionen einzelner Plattfor-
men und Dienste an. Bei (nahezu) synchroner
Kommunikation, wie sie zum Beispiel beim
Chatten oder auch dem raschen Austausch
von Mails oder Facebook-Nachrichten abläuft,
verzichten viele Nutzer zu Gunsten der Schnel-
ligkeit auf Satzzeichen oder lang ausformulierte
Wendungen. Bestimmte Angebote wie Twitter
geben sogar eine Obergrenze von 140 Zeichen
pro Nachricht vor, was – ähnlich wie in der
SMS-Kommunikation – Abkürzungen und
pointierte Ausdrücke fördert, wenn nicht sogar
voraussetzt.
Angesichts dieser Veränderungen sorgen sich
manche Menschen um das Ausdrucksvermö-
gen oder gar den Verfall der Sprache. Sicherlich
gehört es zu den grundlegenden Kompetenzen
in unserer Gesellschaft, sich je nach Situation
auch schriftlich angemessen und gut ausdrü-
cken zu können. Ein Bewerbungsschreiben
ist eben kein Liebesbekenntnis auf Facebook,
das man mit „CU“ (See you, bis bald) oder gar
„HDGDL“ (Habe Dich Ganz Doll Lieb) beenden
Verändert das Internet unsere Sprache?
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