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Die einfache Antwort lautet: Ja, digitale ver-
netzte Medien können die Demokratie
verbessern! Aber in der Mehrheit der Fälle
geschieht dies nicht. Es geschieht sogar das
Gegenteil.
Belegt ist, dass sich mit Hilfe online-medialer
Anwendungen unter Umständen mehr Men-
schen für Politik interessieren und sich ver-
schiedentlich daran beteiligen. Jedoch werden
digitale vernetzte Medien den vielfach an sie
gestellten Erwartungen nach gesteigerter Par-
tizipation, Repräsentativität und Kommunika-
tion zwischen Bürgern und Politikern oft nicht
gerecht.
Trotz digitaler Medien bleiben die fundamenta-
len Probleme politischer Beteiligung häufig un-
gelöst, etwa die ungleiche Verteilung von Res-
sourcen wie Bildung oder Einkommen. Mehr
Demokratie lässt sich hier nur erreichen, wenn
digitale Medien dem gezielt Rechnung tragen,
etwa durch ihr technisches Design oder die An-
sprache und Befähigung von Teilnehmern aus
Minderheitengruppen. Wenn dies nicht der Fall
ist, kann die Verlagerung von Beteiligungsmög-
lichkeiten von traditionellen auf digitale Kanäle
sogar zu einer Verschlechterung der Demokra-
tie führen. Denn der kompetente Gebrauch
digitaler vernetzter Medien hat vielfältige Vor-
aussetzungen – er verlangt etwa (schnelle) In-
ternetzugänge und Fähigkeiten zur Suche und
Bewertung von Informationen.
Aber diese Antwort ist zu einfach. Schon die
Frage ist deutlich vielschichtiger und müsste
lauten: Welche Medien können welche Demo-
kratie wie verbessern? Denn die Forschung
zeigt, dass die Vielfalt digitaler Medien und
ihrer Nutzung allgemeine Aussagen über Effek-
te schwierig macht. Stattdessen müssen spezi-
fische Anwendungen und deren Konsequenzen
in ihrem jeweiligen sozio-politischen Kontext
betrachtet werden. So hat die Nutzung von
sozialen Netzwerken wie Facebook zur Organi-
sation und zum Ausdruck politischen Protests
andere Effekte auf die Politik als beispielsweise
die von öffentlichen Verwaltungen durchge-
führten Online-Befragungen.
Ob diese Anwendungen und Gebrauchswei-
sen Demokratie fördern oder hindern, hängt
wiederum davon ab, wie man sich eine ‚gute’
Demokratie vorstellt. Dies lässt sich am Beispiel
der Online-Petitionen verdeutlichen, die der
Bundestag 2005 einführte, um Bürgerinnen
und Bürger die Möglichkeit zu geben, sich on-
line an das Parlament zu wenden. Aus Sicht
der Anhänger einer direkten Demokratie mag
das zu kurz greifen – immerhin darf das Volk
nichts entscheiden. Auch Vertreter eines „deli-
berativen“, dialogorientierten Demokratiever-
ständnisses dürften diese Petitionen kritisch
sehen, ermöglichen sie doch kaum einen Aus-
tausch auf Augenhöhe. Für ein repräsentatives
Demokratiemodell – das eine Rollentrennung
des Volkes und seiner Repräsentanten vorsieht
Können digitale Medien
die Demokratie verbessern?
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