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Die Frage, ob die neuen Medien die alten ver-
drängen, wird schon lange in Öffentlichkeit
und Wissenschaft diskutiert. Denn in der Ver-
gangenheit hat es immer wieder Befürchtun-
gen gegeben, dass aufkommende neue Medien
die alten ersetzen werden. Als das Fernsehen
kam, sagte man das Kino tot, und das Internet
sollte eigentlich schon längst alle beide ausge-
rottet haben.
In der Kommunikationswissenschaft wird diese
Frage meist mit dem Verweis auf das „Rieplsche
Gesetz“ beantwortet. Diesem zufolge werden
etablierte Medien keineswegs durch ein neues
Medium verdrängt. Sie müssen sich allenfalls
den neuen Gegebenheiten anpassen, was zu
einer veränderten Funktion und Nutzung der
alten Medien führen kann. Der Journalist
Wolfgang Riepl hat dieses „Gesetz“ bereits 1913
in seiner Doktorarbeit zum römischen Nach-
richtenwesen aufgestellt und wird seither oft
beschwichtigend zitiert. Denn prinzipiell besagt
das Gesetz, dass kein neues, „höher“ entwickel-
tes Medium ein altes vollständig verdrängen
könne. Die Erfahrung scheint dies zu bestäti-
gen und auch die Medienbranche nimmt den
scheinbar unerschütterlichen Grundsatz gerne
auf.
Aber besitzt das Rieplsche Gesetz auch im digi-
talen Zeitalter noch Gültigkeit? Gerade das In-
ternet gilt durch den Wandel von einem reinen
Textmedium zu einer multimedialen Plattform
als universelles Kommunikations-, Informa-
tions- und Unterhaltungsmedium, weshalb es
besonders großes „Verdrängungspotenzial“ zu
besitzen scheint. Die Tatsache, dass trotz eines
gestiegenen Zeitaufwandes für Mediennutzung
die neuen Angebote um das nicht unbegrenzt
verfügbare Zeitbudget der Nutzer konkurrie-
ren, ist nun einmal nicht von der Hand zu wei-
sen.
Gleichwohl ist die Frage „Verdrängung versus
keine Verdrängung“ zu einfach gestellt. Denn
mittlerweile wird das Verhältnis zwischen alten
und neuen Medien sehr differenziert betrach-
tet. Der Wettbewerb zwischen verschiedenen
Medien ist komplexer. So unterscheidet man
nicht nur zwischen der zeitlichen und funk-
tionalen Perspektive, sondern betrachtet vor
allem einzelne Altersgruppen, in denen sich
die Mediennutzung zum Teil erheblich unter-
scheidet. Die viel zitierten „Digital Natives“,
die bereits ins digitale Zeitalter hineingeboren
wurden, spielen in diesem Kontext eine große
Rolle.
Grundsätzlich ist die Internetnutzung bei Teens
und Twens deutlich weiter verbreitet als in der
Gesamtbevölkerung. 14- bis 29-Jährige verbrin-
gen bereits mehr Zeit mit dem Internet als mit
den traditionellen Medien, während in der Ge-
samtbevölkerung das Fernsehen und das Radio
das Zeitbudget für Mediennutzung weiterhin
dominieren. Im Zeitverlauf kristallisiert sich
zudem heraus, dass das Internet durch neue
Inhalte wie Online-Communities, Filme und Vi-
Verdrängen neue Medien die alten?
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