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Die Frage der Medienkompetenzvermittlung in
der Schule ist keine Frage der Quantität, son-
dern es ist eine Frage, inwieweit die Schule die
Pflichtaufgabe hat, in die Gesellschaft einzufüh-
ren, oder wie es früher so schön hieß, für das
Leben zu lehren und nicht für die Schule selbst.
Und wenn man für das Leben lehrt, muss die
Schule heute auch den Umgang mit den Medien
lehren und zwar auf zwei Wegen.
Zum einen geht es um den Umgang mit den
Medien, die uns tagtäglich umgeben und gegen-
über stehen, die uns keine Wahl lassen und mit
denen wir uns arrangieren müssen. Denn diese
strukturieren und moderieren unser Leben, sie
sind in den Bereichen der Ausbildung, Arbeit
und Freizeit allgegenwärtig. Dadurch eröffnen
sich zunächst vielfältige Möglichkeiten: Wir
lernen, informieren und orientieren uns, wir
machen neue Erfahrungen und pflegen soziale
Beziehungen in, durch und über Medien.
Eine sinnvolle und sinnstiftende Nutzung die-
ser Möglichkeiten aber setzt Kompetenzen auf
verschiedenen Ebenen voraus. Für Heranwach-
sende sind Medien ein großer Pool, aus dem
sie sich vielfältiges Material, nicht zuletzt für
den Schulalltag, erschließen. Die Allgegenwart
medialer Informationsbestände ist allerdings
nicht per se mit einer Erweiterung des Wissens
verbunden. Aus Informationen formiert sich
Wissen erst dann, wenn diese von Heranwach-
senden erfasst, auf konkrete Probleme bezogen
und in ihrer Relevanz bewertet werden. Medien
sind in der Hand von Konzernen und Orga-
nisationen, deren Interesse in der Regel nicht
Humanität, sondern Profit ist. Um diese hoch-
komplexen und mitunter widersprüchlichen
Mediensysteme zu durchschauen, benötigen
Heranwachsende ein Struktur- und Orientie-
rungswissen, das ihnen nicht in die Wiege ge-
legt ist.
Angesichts ihrer heute eher vom Umgang mit
digital-vernetzten Medien getragenen Me-
diensozialisation haben sie es zwar leichter,
sich die Spielarten der Medien anzueignen.
Aber auch sie haben Nachholbedarf, etwa dann,
wenn es gilt, die hinter den medialen Phänome-
nen verborgenen Interessen zu erkennen, die
Medien in ihrer Struktur und Logik zu durch-
schauen und kritisch zu reflektieren. Hier sind
Möglichkeiten eines praktischen Lernens in
konkreten problem- und lebensweltbezogenen
Zusammenhängen gefordert.
Zum anderen geht es darum, sich mit Medien
selbst und selbständig artikulieren zu können.
Hier realisieren sich Medienwissen und Me-
dienbewertung im Vermögen, mittels Kom-
munikation als Austauschhandeln zwischen
Menschen an der Gestaltung von Gemeinschaft
mitzuwirken bzw. an der medial gestalteten ge-
sellschaftlichen Informations- und Kommuni-
kationswelt zu partizipieren. Damit weist Medi-
enkompetenz über die Medien hinaus. Denn die
mediale Kommunikation mit den Anderen und
das Eingehen auf diese impliziert die Fähigkeit,
Wie viel Medienkompetenz
müssen Schulen vermitteln?
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