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Zunächst einmal stellt sich die Frage: Was ist
Politikverdrossenheit? Sind alle Nichtwähler
politikverdrossen, oder sind es diejenigen, die
gegen die Regierung demonstrieren? Sind die
verdrossen, die lautstark Defizite in unserer
Demokratie bemängeln oder diejenigen, die
sich zurückziehen, weil sie sich machtlos und
ohnmächtig fühlen? Zweifellos sind dies alles
Aspekte von Politikverdrossenheit, aber es
sind jeweils keine eindeutigen Anzeichen von
Verdruss.
Die zweite Frage die sich stellt: Wie kommt
man eigentlich auf die Idee, dass Medien die
Politikverdrossenheit fördern? Die Medien sind
doch nicht dafür verantwortlich, dass Politiker
sich zu wenig um die Interessen der Bürger
kümmern. Es sind die Politiker, und nicht die
Medien, die Skandale auslösen. Und es ist auch
nicht die Schuld der Medien, wenn sich Partei-
en gegenseitig beschimpfen, wenn Regierungen
nicht erfolgreich sind, wenn auf Grund politi-
scher Entscheidungen die Preise steigen oder
die Renten sinken. Die Medien berichten nur
darüber, was draußen in der Welt geschieht.
Die Überbringer der schlechten Nachricht sind
nicht die Verursacher der Probleme. Es sind
nicht die Berichte über die Probleme, sondern
die Probleme selbst, die die Menschen politik-
verdrossen machen – oder?
Die Antwort auf diese Frage ist ambivalent: Ja,
Medien berichten über Ereignisse und Proble-
me, die tatsächlich existieren, und es ist nicht
ihre Schuld, wenn das, worüber sie berichten,
nicht erfreulich ist. Allerdings sind die Medien
nicht nur ein Spiegel der Geschehnisse in der
Welt. Sie entwerfen für ihre Leser, Hörer und
Zuschauer ein Bild von der Welt, und dieses
Bild kann sehr unterschiedlich ausfallen.
Zum einen wählen Medien aus, welche Er-
eignisse sie beachten. Das kann dazu führen,
dass in der einen Zeitung fast nichts über eine
politische Fehlentscheidung zu lesen ist, wäh-
rend eine andere darüber auf der ersten Seite
berichtet. Die Medien wählen aber nicht nur
Themen aus, sondern sie entscheiden auch, wer
sich dazu äußern kann. Wenn bei einem Fern-
sehsender die Regierungsmitglieder häufiger
zu Wort kommen und bei einem anderen die
Opposition, dann werden dadurch zwei unter-
Fördern Medien die
Politikverdrossenheit?
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Bei Europawahlen
– wie hier 2009 in
einem Wahllokal im
hessischen Fulda –
stimmen häufig nur
wenige Menschen
ab. Geringe Wahlbe-
teiligung wird oft
als ein Zeichen für
Politikverdrossenheit
gedeutet. Dazu kann
negative Medien­
berichterstattung
beitragen.
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