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Die Rolle der Medien in politischen Kontrover-
sen ist vielfältig und hängt von der konkreten
Situation ab. Eine erste Unterscheidung kann
man danach treffen, ob bestimmte Medien an
einer politischen Kontroverse als aktive Akteu-
re teilnehmen, die selbst ihre Interessen und
Meinungen vertreten – oder ob sie anderen
Akteuren lediglich ein Forum bieten. In keinem
der beiden Fälle sind Medien politisch bedeu-
tungslos, ihr Einfluss ist im ersten Fall aber
direkter als im zweiten.
Wenn einzelne Medien eigene Standpunkte
in einer politischen Kontroverse einnehmen,
befinden sie sich im Vergleich zu anderen Ak-
teuren in einer privilegierten Situation. Sie
können die Bevölkerung oder Politiker direkt
und ungefiltert mit ihren Informationen und
Argumenten erreichen. Alle sonstigen Sprecher
müssen mit ihren Botschaften zunächst einmal
Berücksichtigung durch die Journalisten fin-
den, die als mediale Gatekeeper den Zugang zur
Öffentlichkeit kontrollieren.
Eigene politische Standpunkte vertreten Medi-
en meist in ihren Kommentaren. Dort machen
sie bestimmte Sichtweisen in einem Konflikt
öffentlich und auch für politische Entschei-
dungsträger sichtbar. Gute Chancen, sich mit
ihren Positionen politisch durchzusetzen haben
Medien, weil politische Entscheidungsträger
genauso wie normale Bürger oft glauben, dass
Meinungen, die in (Leit-)Medien dominant
sind, auch in der Bevölkerung an Boden gewin-
nen. Zum anderen zeigen US-amerikanische
Forschungsergebnisse, dass Meinungsäuße-
rungen von Journalisten beim Publikum einen
Glaubwürdigkeitsvorsprung gegenüber Äuße-
rungen von Politikern oder Interessengruppen
genießen, weil das Publikum ihnen eine neut-
ralere Haltung in politischen Fragen zutraut.
Eine zusätzliche Legitimation verleihen Medien
ihren Positionen oft dadurch, dass sie Ereignis-
se der Meinungsforschung publizieren, die ihre
Sichtweise stützen.
Häufiger kommt es jedoch vor, dass Medien
in einer etwas passiveren Rolle agieren und
lediglich als „Verbündete“ politischer Akteure
an Kontroversen beteiligt sind. In dieser Rolle
beeinflussen sie die Meinungsbildung durch die
Auswahl und Aufmachung politischer Nachrich-
ten und Berichte, durch Kommentare, die eine
bestimmte Position unterstützen, oder indem
sie bestimmten Sprechern Publizität verleihen.
Kurz gesagt: Medien bilden die kontroversen
Meinungen anderer nicht nur ab, sondern sie
erstellen nach ihren eigenen redaktionellen
Entscheidungen eine Medienrealität, von der
die eine oder die andere Seite in einer Kont-
roverse mehr oder weniger profitiert. Jedoch
besteht nicht in allen Kontroversen ein ein-
heitliches mediales Meinungsklima. Dies wäre
demokratietheoretisch auch nicht wünschens-
wert. Vielmehr unterscheiden sich die Medien-
realitäten je nach politischer Haltung des Medi-
ums bis zu einem gewissen Grad.
Welche Rolle spielen Medien
in politischen Kontroversen?
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