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In den letzten Jahren häufen sich Rücktritte
von Politikern, in deren Zusammenhang die
Medien beschuldigt werden, den Rücktritt
herbeigeführt zu haben. Aber können Medien
tatsächlich den Rücktritt eines Politikers aus-
lösen?
Medien sollen Themen für die Diskussion in der
Gesellschaft bereitstellen. Sie übernehmen so
die Funktion des Marktplatzes, auf dem die al-
ten Griechen ihre politischen Debatten geführt
haben – was in der heutigen Gesellschaft aus
nachvollziehbaren Gründen nicht mehr geht.
Diese Verlagerung von Aufgaben des Einzelnen
an Institutionen der Gesellschaft ist ein Kenn-
zeichen der modernen Gesellschaft.
Journalisten kommt in diesem Zusammenhang
die Aufgabe zu, Themen auszuwählen und die
zugrundeliegenden Tatsachen zu recherchieren.
Dazu gehört auch die kritische Beobachtung der
Volksvertreter und Amtsinhaber. Politisches
Handeln transparent zu machen ist entschei-
dend für das Vertrauen, das die Wähler den
Politikern entgegenbringen. Nehmen Journalis-
ten ihre Aufgabe ernst, gehen sie beispielsweise
allen Fragen nach, die die Unabhängigkeit von
Politikern betreffen. Denn korrupte Politiker
treffen keine unabhängigen Entscheidungen
und lügende Politiker werden erpressbar. Ergibt
sich aufgrund von Hinweisen oder Recherchen
ein Verdacht gegen einen Politiker, ist es die
Pflicht der Journalisten, diesem nachzugehen.
Die heutige Medienlandschaft ist geprägt von
einer zunehmenden Konkurrenz und gleichzei-
tigen Beschleunigung des Informationsflusses.
Informationen sind über Internetdienste im Nu
in die Welt hinausgezwitschert, und jeder kann
sie im nächsten Moment abrufen oder erhält sie
automatisch auf sein Smartphone. Die Zeit zum
Überprüfen der Information wird immer knap-
per. Und besonders bei stark beachteten The-
men ist der Druck groß, schnellstmöglich mit
exklusiven Informationen in die Öffentlichkeit
zu gehen und so Aufmerksamkeit auf das eige-
ne Medium zu lenken. Zu den Strategien gehö-
ren dabei gerne reißerische, den Sachverhalt
verkürzende Überschriften, eine personalisie-
rende Darstellung und ein Sprachgebrauch, der
die Ereignisse dramatisiert und emotionalisiert.
Wenn Politiker aufgrund eines tatsächlichen
oder vermeintlichen Fehlverhaltens in den Fo-
kus der Medien geraten, müssen sie besonnen
reagieren, um nicht noch Öl ins Feuer zu gie-
ßen. Fragen unbeantwortet zu lassen oder In-
formationen zurückzuhalten zieht zwangsläufig
weitere Recherchen von Journalisten nach sich.
Diese suchen dann eben selbständig nach Ant-
worten und erhöhen dadurch den Druck auf
den Politiker. Weil jeder Journalist nach dem
gleichen sucht und Erfolgsmeldungen braucht,
gerät auch hier manchmal die eigentliche Auf-
gabe in den Hintergrund: die Herstellung von
Transparenz in der Politik.
Können Medien Politikerrücktritte
auslösen?
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