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Hinter der etwas naiv anmutenden Frage steht
die Befürchtung, dass die Politik zunehmend
ihre Autonomie und Gestaltungsfähigkeit ein-
büßt, weil sie sich zu sehr an den Massenme-
dien ausrichtet. Der ehemalige Bundeskanzler
Gerhard Schröder hat diesen Befürchtungen
mit einer vielzitierten Bemerkung Nahrung
gegeben, als er sagte, er brauche zum Regieren
nur „Bild, BamS und Glotze“.
Unterstellt man, dass die genannten Medien
nur als Beispiele dienen, hat der Ex-Kanzler
die Situation durchaus zutreffend beschrieben.
Die Massenmedien dienen der „Politikvermitt-
lung“. Sie unterrichten die Bevölkerung über
Inhalt und Zustandekommen der politischen
Entscheidungen von Parlament und Regierung.
Die Parteien brauchen die Medien vor allem im
Wahlkampf, um Wähler zu gewinnen. Politiker
in allen Funktionen nutzen die Medien als Fo-
rum für den öffentlichen Diskurs. Und nicht
zuletzt dienen Beiträge in der Presse, im Radio
und Fernsehen als Ausdruck der öffentlichen
Meinung und als Korrektiv politischer (Fehl-)
Entscheidungen, Missstände und Skandale.
Dieses Wechselverhältnis hat aber auch prob-
lematische Aspekte, und zwar dann, wenn sich
die Politikvermittlung soweit an die Medien
anpasst, dass dabei die Eigenlogik der Politik
zurücktritt. Erkennbar ist das an politischen
Inszenierungen und Medienevents, die politi-
sches Entscheidungshandeln nur vortäuschen
oder auch verschleiern. Beispiele dafür sind
internationale Gipfeltreffen von Staats- und
Regierungschefs wie etwa im G20-Rahmen,
Scheindiskussionen umThemen mit hoher
symbolischer Bedeutung wie das Betreuungs-
geld oder die Reichensteuer, oder die Verla-
gerung politischer Debatten aus Parlamenten
in Fernseh-Talkshows. Für möglichst große
und positive Medienpräsenz sorgt dabei eine
Schar von Medienberatern und so genannten
„Spindoktoren“ in den massiv ausgebauten PR-
Abteilungen der Regierungen und Parteien, also
von Fachleuten für politisches Marketing. Sie
sorgen für eine Politikvermittlung, die den Se-
lektionskriterien und Darstellungsformaten der
Massenmedien entgegenkommt.
Die Wissenschaft ist sich noch uneinig über
die Bewertung dieser Tendenzen, die als „Me-
dialisierung“ oder auch „Mediatisierung“ be-
zeichnet werden. Auf der einen Seite gilt eine
mediengerechte Politikdarstellung nicht nur
als legitim, sondern auch als notwendig, damit
politische Entscheidungen transparent und von
den Bürgern akzeptiert werden. Auch wenn die
auf Medien ausgerichtete „Darstellungspolitik“
zunehme, so ein Argument, schmälere das nicht
wesentlich die Bedeutung der „Entscheidungs-
politik“, die nach wie vor primär von Sach-
zwängen und drängenden Problemen bestimmt
werde.
Die Gegenposition befürchtet, dass die Ori-
entierung an den Medien das politische Ent-
scheidungshandeln „kontaminiert“. Medien
Passt sich die Politik den Medien an?
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