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Natürlich tun sie das! Man stelle sich eine Wahl
ohne Medien vor, bei der die Entscheidung
der Wähler nur auf der direkten Werbung der
Parteien beruht. Der Ausgang wäre gewiss ein
ganz anderer im Vergleich zu einer Wahl, bei
der die Medien über eben diese Parteien und
viele andere politische Themen berichten. Die
gesellschaftliche Funktion professioneller Me-
dien besteht ja gerade darin, uns die komplexe
Wirklichkeit, zu der wir überwiegend keinen
eigenen Zugang haben (wer kennt schon die
Bundeskanzlerin persönlich, um sich ein Urteil
zu bilden?), nach Relevanz- und Wahrheitsge-
sichtspunkten möglichst neutral aufzuberei-
ten. So wie es eine Medienwirkung darstellt,
wenn wir morgens wegen des Wetterberichts
im Radio einen Regenschirm mitnehmen, so
ist es Medienwirkung, wenn wir aufgrund der
Politikberichterstattung bestimmte Parteien
wählen.
Problematisch wird es, wenn die politische Wet-
terkarte der Medien grobe Fehler aufweist, uns
über Wichtiges im Unklaren lässt oder es ein-
seitig darstellt. Diskussionen über den Einfluss
der Medien auf Wahlen entstanden deshalb
auch immer dann, wenn die Medien tatsäch-
lich (also durch Forschung nachgewiesen) oder
vermeintlich (meistens in der Wahrnehmung
von Wahlverlierern), „verzerrt“ berichtet haben.
Solche Verzerrungs-Hypothesen können sich
auf einzelne Medien oder gar das ganze Me-
diensystem beziehen.
Aber was ist verzerrt? Kann es einen Standard
geben, nachdem sich Medieninhalte beurteilen
lassen? Dies ist seit langem eine große, fast
weltanschauliche Diskussion innerhalb der
Kommunikationswissenschaft. „Konstruktivis-
ten“ glauben, dass es solche Maßstäbe grund-
sätzlich nicht geben kann. Andere sind der
Ansicht, dass man durchaus sinnvolle Kriterien
finden kann, auch und gerade für die Wahlbe-
richterstattung. Diese können außerhalb des
Mediensystems liegen, beispielsweise in Sta-
tistiken und Beobachtungen, oder innerhalb,
indem man den Durchschnitt der Berichter-
stattung aller Medien als Maßstab für einzelne
Medien nimmt.
Abweichungen der Medieninhalte von einer wie
immer definierten Norm können verschiedene
Inhalte betreffen und auf unterschiedlichen
Mechanismen beruhen. Bei den Inhalten kann
es um die Darstellung von Personen oder Par-
teien gehen. So hat die CDU/CSU in den 1970er
Jahren den generellen „Linkstrend“ der Medien
beklagt und für die Wahlniederlagen verant-
wortlich gemacht. Es kann aber auch um eine
bestimmte Gewichtung von Themen gehen, das
so genannte Agenda-Setting. Schröders Wahl-
sieg 2002 schreibt man vor allem dem Elbe-
Hochwasser zu. Es dominierte die Berichter-
stattung vor allen politischen Themen und ließ
Schröder auch bei politisch eher uninteressier-
ten Menschen als kompetenten Krisenmanager
erscheinen.
Beeinflussen die Medien
Wahlentscheidungen?
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