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Rundfunkprogramme (und Massenmedien
im Allgemeinen) sind Wirtschaftsgüter, die
individuelle Bedürfnisse (zum Beispiel nach
Information, Unterhaltung oder Zerstreuung)
befriedigen. Zugleich sind sie aber auch Kultur-
güter, die kollektiven Zielen dienen, etwa der
Förderung der freien Meinungsbildung und der
öffentlichen Kommunikation und damit der
Funktions- und Leistungsfähigkeit demokrati-
scher Gesellschaften.
Aufgrund dieses Doppelcharakters empfiehlt
sich für die Medien eine gemischte Bereitstel-
lung: Medien, bei denen der Individualgutcha-
rakter dominiert, sollten nach den Regeln des
Marktes bereitgestellt werden, so dass sich Art
und Menge des Angebots aus der Wertschät-
zung und Zahlungsbereitschaft der Konsumen-
ten bestimmen und die Stärken des Marktes
(als einem effizienten Verfahren zur Entde-
ckung und Befriedigung individueller Bedürf-
nisse) genutzt werden. Medien, bei denen der
Kollektivgutcharakter dominiert, sollten nach
den Regeln kollektiver Willensbildung bereitge
stellt werden, so dass sie auch die gesellschaft-
lich erwünschten Inhalte mit Kulturgut- bzw.
Kollektivgutcharakter enthalten, die der Markt
nicht oder nicht ausreichend produziert.
Die in der Demokratie übliche Form der kol-
lektiven Willensbildung, bei der durch Wahlen
über die Programme der politischen Parteien
abgestimmt wird, ist für die gesellschaftliche
Abstimmung über Art und Menge der Medien-
angebote allerdings ungeeignet, weil die Regie-
rungsparteien die Meinungsbildungsmacht der
Medien zur Verfolgung eigener (Macht-)Inte
ressen missbrauchen können.
In Deutschland wurde dies mit dem Missbrauch
des Hörfunks für nationalsozialistische Propa-
ganda besonders deutlich. Nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs haben die Alliierten deshalb
eine staatsferne Organisation des deutschen
Rundfunks empfohlen, die dann unter der
Bezeichnung „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“
auch eingeführt wurde. Dabei entscheiden poli-
tisch unabhängige Rundfunkanstalten über die
anzubietenden Medieninhalte, wobei sie von
staatsfernen Vertretern gesellschaftlich rele
vanter Gruppen („Rundfunkräten“) kontrolliert
werden. Für die Finanzierung ihrer Aufgaben
räumt der Staat den Rundfunkanstalten das
Recht ein, Zwangseinnahmen (Rundfunkge-
bühren) zu erheben. Ob die von den Anstalten
beantragte Höhe dieser Gebühren angemessen
ist, wird von einer (ebenfalls staatsfernen)
„Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs
der Rundfunkanstalten“ (KEF) überprüft. Ord-
nungstheoretisch betrachtet ist der öffentlich-
rechtliche Rundfunk damit eine Mischform aus
gesellschaftlicher und staatlicher Steuerung.
Die in den 1980er Jahren erfolgte Zulassung
privater Rundfunkveranstalter hat diese
Rundfunkordnung zu einer „dualen“ Ordnung
erweitert. Dabei bietet der gewinnorientierte
private Rundfunk primär solche Medieninhal-
Warum brauchen wir
öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
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