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Der Journalismus orientiert sich immer mehr
an Sensation und Unterhaltung, ist verflacht,
unprofessionell und immer stärker auf Nega-
tives fixiert. Dies ist der Tenor mancher Medi-
enkritik – schon seit es publizistische Medien
gibt. Implizit wird also angenommen, dass
die journalistische Qualität immer schlechter
werde. Aber auch wenn die Medien Anlass zu
berechtigter Kritik bieten, so ist diese pauschale
Behauptung doch wissenschaftlich kaum halt-
bar. Das hat zwei Gründe.
Erstens gibt es keine Einigkeit darüber, was
gute Medieninhalte sind. Das kann in einer
pluralistischen, offenen Gesellschaft auch gar
nicht anders sein. Qualität ist, was bestimm-
ten Erwartungen entspricht. Nur sind die Er-
wartungen, die verschiedene gesellschaftliche
Gruppen an die Medien stellen, vielschichtig
und widersprüchlich. Der Journalismus soll
verständlich, aktuell, sachlich richtig und un-
terhaltsam berichten und dabei die Vielfalt
gesellschaftlich relevanter Akteure und Themen
zu Wort kommen lassen. Damit erfüllt er wich-
tige Funktionen für die Gesellschaft, die aber
in einem Spannungsverhältnis stehen: Politiker
und andere Akteure erwarten, dass Journalis-
ten ihre Aussagen möglichst vollständig und
unkommentiert weitergeben. Dies entspricht
der Transparenz- und Forumsfunktion der
Medien. Der Journalismus soll aber auch Wich-
tiges von Unwichtigem trennen, Orientierung
bieten, interpretieren, kritisch nachforschen
und einordnen und so seine Orientierungs-und
Validierungsfunktion erfüllen. Das bedeutet,
dass Journalisten eben nicht neutral alles wei-
tergeben, was Andere kommunizieren wollen.
Der Vorwurf einer Verzerrung der Realität
durch die Medien ist also vorprogrammiert.
Zudem müssen Qualitätserwartungen je nach
Medientyp und Format angepasst werden: Die
Orientierung von Fernsehberichterstattung an
der Verfügbarkeit von Bildern kann man kri-
tisieren, aber Visualisierung ist im Fernsehen
zunächst einmal ein Merkmal von Qualität, von
professioneller Anpassung an die besonderen
Stärken dieses Medienkanals.
Zweitens gibt es kaum eindeutige Entwick-
lungslinien, wenn man sich verschiedene Me-
dientypen und Länder anschaut. So schwankt
zum Beispiel die Vielfalt, Unparteilichkeit und
Sachorientierung in der Wahlkampfberichter-
stattung von Wahl zu Wahl, abhängig von situ-
ativen Faktoren. Einige Trends lassen sich aber
in mehreren Studien belegen. Es wird immer
schneller und aktueller berichtet. Das Angebot
an politischer Information hat sich ausgeweitet:
Führende Fernsehsender in 13 europäischen
Ländern haben die Anzahl von Sendeminuten,
die politischer Information gewidmet sind,
seit den 1970er Jahren mehr als verdoppelt.
Journalistische Inhalte sind im Vergleich zu
den 1960er Jahren heute kritischer gegenüber
der Politik geworden. Politiker kommen kür-
zer zu Wort – in Nachrichtensendungen nur
Werden Medieninhalte immer schlechter?
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