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Die klare Antwort lautet: Ja, Menschen aus un-
terschiedlichen Kulturen können sich mitein-
ander verständigen. Und sie tun es auch täglich
– sowohl in der interpersonalen Kommunikati-
on, als auch in den öffentlichen Medien.
Was aber sind Kulturen? In der Wissenschaft
wird heute ein Kulturbegriff zugrunde gelegt,
der Kulturen nicht mehr als abgeschlossene
„Container“ versteht und auch nicht mit Natio
nen gleichsetzt. „Kultur“ umfasst die Lebens-
weise von Menschen, ihre Arten zu denken
und zu fühlen ebenso wie die Artefakte, die sie
herstellen. Kultur ist also nicht nur Hochkul-
tur, sondern Alltagskultur. Und die ist nicht
statisch. Vielmehr kultivieren sich Menschen in
einer Welt wie der unseren, die von Reisen, be-
ruflichen Auslandsaufenthalten, Einwanderung
und Auswanderung geprägt ist, täglich weiter.
Wie aber können sich Menschen unterschied-
licher Kulturen verständigen? „Verständigen“
heißt zunächst einmal nachvollziehen zu kön-
nen, was der jeweils Andere meint. Hier ist also
Sprachkompetenz gefragt. In einem weiteren
Sinne kann es aber auch das Teilen von Mei-
nungen und Ansichten bedeuten. Ich kann
verstehen, was jemand meint, aber dennoch
nicht derselben Meinung ist. Die Akzeptanz
und die Toleranz von Sitten und Gebräuchen,
die fremd erscheinen, bedarf der interkulturel-
len Kompetenz – eine Grundvoraussetzung für
interkulturelle Verständigung. Viel diskutiert
wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff
der „kulturellen Vielfalt“ : Er geht davon aus,
dass „multikulturellen“ Gesellschaften gerade
die Akzeptanz unterschiedlicher Werteord-
nungen zugrunde liegen sollte: Erst, wenn ich
Mitmenschen ungeachtet ihrer Herkunft, Reli-
gion und anderer Unterschiede als gleichwertig
anerkenne, kann ich mich auf eine universelle
Menschenwürde beziehen. Interkulturelle Kom-
munikation verlangt Toleranz gegenüber Wider-
sprüchen und Andersheit. Diese lernt man am
besten und nachhaltigsten schon im Kindesalter.
Dennoch kommt es in unserer modernen Welt
täglich zu interkulturellen Konflikten, deren
Lösung Diskurs und Debatte erfordern – also
Kommunikation. Dabei gilt es vor allem, inter-
kulturelle Missverständnisse zu verhindern,
deren Gründe während der Kommunikation oft
unsichtbar bleiben: etwa langfristig erlernte,
in der Biografie tief verankerte und deshalb
unbewusst bleibende Regeln des sozialen Mitei-
nanders und seiner Rituale wie Begrüßung, Fei-
ern, Trauern, Schenken, Umgang mit Zeit oder
dem anderen Geschlecht, aber auch Regeln für
nonverbale Kommunikation wie Blickkontakt,
Mimik, Gestik und Berührung. Interkulturelle
(Kommunikations-)Trainings wie sie häufig
in transnationalen Unternehmen stattfinden,
versuchen diese unbewussten Regeln und ihre
große Varianz zu verdeutlichen und die Teil-
nehmerinnen und Teilnehmer interkulturell
kompetent zu machen – etwa, um sie auf Aus-
landsaufenthalte vorzubereiten.
Stefanie Averbeck-Lietz (Universität Bremen)
Können sich Menschen aus
unterschiedlichen Kulturen verständigen?
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