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Diese Frage klingt erst einmal einfach, eine
Antwort darauf ist aber vielschichtig. Man
muss zuerst einmal klären, was man unter „den
Medien“ versteht und welche Aspekte von Inte-
gration man sich anschauen will.
Sehr intensiv beschäftigt sich die Wissenschaft
seit langem mit der Frage, wie Migrantinnen
und Migranten in Fernsehen und Zeitungen
dargestellt werden. Denn Medien könnten
sicherlich bei einem kulturübergreifenden Zu-
sammenleben „helfen“, wenn sie verständlich
machen würden, dass Deutschland seit Jahr-
zehnten eine Einwanderungsgesellschaft ist. Sie
müssten Migrantinnen und Migranten in der
Vielfalt ihrer Lebensweisen und des erfolgrei-
chen Miteinanders darstellen, dabei aber auch
deren Probleme und Unsicherheiten deutlich
machen. Dafür ist es sicherlich von Vorteil,
wenn es auch mehr Journalisten mit Migrati-
onserfahrung gibt.
Eine andere Frage ist, wie Migrantinnen und
Migranten selbst die Medien nutzen. Bezogen
auf traditionelle Massenmedien wie Radio,
Zeitung, Fernsehen und neue digitale Medien
haben Studien gezeigt, dass die weit verbreite-
te These vom „Medienghetto“ falsch ist. Diese
nimmt an, dass Migrantinnen und Migranten
nur „Heimatmedien“ aus ihrem Herkunftsland
nutzen. Tatsächlich nutzen sie Heimatmedien
genauso wie Medien des aktuellen Lebensortes
und auch Diasporamedien, also Angebote, die
von Menschen mit Migrationshintergrund für
Menschen mit Migrationshintergrund gemacht
werden. Migrantinnen und Migranten haben
folglich Einblicke in sehr unterschiedliche Kul-
turen. Das bietet ein Potenzial für das transkul-
turelle Miteinander in Deutschland, das noch
wesentlich stärker genutzt werden kann.
Mit den immer billigeren Telefonmöglichkei-
ten und dem Internet ist es Migrantinnen und
Migranten heutzutage zudem vergleichsweise
einfach möglich, ihre Kommunikationsnetzwer-
ke in die Herkunft aufrecht zu erhalten, gleich-
zeitig aber auch Netzwerke in die Diaspora und
zu Menschen mit anderem kulturellen Hinter-
grund in Deutschland zu pflegen. Auch hier gibt
es also keine einfache „Ghettoisierung“. Es be-
steht das Potenzial, dass transkulturelle Kom-
munikationsnetzwerke entstehen, von denen
ausgehend sie die eigene kulturelle Identität
hinterfragen und weiterentwickeln können.
Derartige Prozesse sind in einer zunehmend
globalisierten Welt von erheblicher Bedeutung.
So heißt Migration ja gegenwärtig nicht mehr
zwangsläufig eine „Auswanderung“ für den Rest
des eigenen Lebens. Neue Lebensformen der
„Transmigration“, der „Weitermigration“ oder
der zweitweisen „Rückmigration“ aber auch des
phasenweisen Lebens an verschiedenen Orten
gewinnen an Bedeutung. Digitale Medien ma-
chen es einfacher, in solchen dynamischen Le-
bensformen die eigenen Beziehungsnetzwerke
aufrecht zu halten.
Helfen Medien bei der
Integration von Migranten?
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