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Ob und wie Frauen und Männer in den Medien
präsentiert werden, ist erst seit einigen Jahr-
zehnten von wissenschaftlichem Interesse. Bis
in die 1970er Jahre dominierten Männer die
Medien und die Berichterstattung. Erst im Zuge
der Zweiten Frauenbewegung und aufgrund von
Medien-Inhaltsanalysen, die die Unterrepräsen-
tanz und Stereotypisierung von Frauen beleg-
ten, kam die Forderung nach quantitativen und
qualitativen Veränderungen auf: Frauen sollten
erstens häufiger in den Medien vorkommen und
zweitens differenzierter dargestellt werden.
Um dies zu erreichen, schien es sinnvoll, den
Anteil der Journalistinnen in den Redaktionen
zu erhöhen. Doch dieser stieg nur langsam, und
ein Zusammenhang zwischen Journalistinnen-
anteil und geschlechtergerechter Berichterstat-
tung konnte nur bedingt nachgewiesen werden.
Auch in den folgenden Jahrzehnten und bis
heute bestätigen Studien in Deutschland und
international ein Missverhältnis in der medi-
alen Geschlechterdarstellung, das sich nicht
allein durch eine ungleiche gesellschaftliche
Aufgaben- und Machtverteilung erklären lässt.
Nach wie vor werden Männer anders und
häufiger dargestellt als Frauen. Stereotype Ge-
schlechterbilder sowohl von Frauen als auch
von Männern sind weiterhin in allen journalis-
tischen Gattungen und mehr noch in der Wer-
bung zu finden.
Diese Darstellungen wurden jedoch zunehmend
als „stereotyp“, „unrealistisch“ und „unzeitge-
mäß“ kritisiert. Zum Teil als Reaktion auf die
Kritik, mehr noch aber aus wirtschaftlichen
Gründen setzten Medienunternehmen auf An-
gebotserweiterung und Produktdiversifizierung
sowie auf die Definition neuer Zielgruppen.
Neben „klassischen“ Frauenstereotypen wie dem
der „Hausfrau“, der „Mutter“ oder der „Sekretä-
rin“ tauchten nun auch Substereotype auf, bei
denen Geschlecht und sexuelle Orientierung mit
Kategorien wie Beruf, Ethnie, Religion, Körper,
Alter u.a. verbunden waren, etwa die „Karriere-
frau“, die „Kampflesbe“ oder die „türkische Putz-
frau“. Und auch „klassische“ Männerstereotype
wurden erweitert durch Substereotype wie den
„Softie“, den „Metrosexuellen“ oder den „neuen
Vater“, der sich an der Kindererziehung beteiligt.
Die Geschlechterbilder in den Medien haben
sich also verändert. Sie sind auf den ersten
Blick zahlreicher geworden, auf den zweiten
Blick aber nicht unbedingt weniger stereotyp.
Obwohl zuweilen traditionelle Geschlechter-
rollen in Frage gestellt werden und gerade in
unterhaltenden Formaten oder der Werbung
mit Geschlechterklischees gespielt wird, bleibt
das System der Zweigeschlechtlichkeit erhalten
bzw. wird reproduziert – etwa wenn Medienbe-
richte oder Anzeigen behaupten, dass Männer
anderes Shampoo benötigen als Frauen oder
dass Männer nicht zuhören und Frauen nicht
einparken können.
Haben sich die Geschlechterbilder
in den Medien verändert?
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